Freitag, 11. November 2011

Literaturempfehlung I

Die Sünden der Kirche!
Moderne Schuld und reiches Kapital



  • Violettbuch Kirchenfinanzen
  • Caritas und Diakonie in Deutschland
  • Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland
  • das Kirchenhassebrevier
  • Und vergib uns unsere Schulden
  • Scheinheilige Geschäfte
  • Vatikan AG

zur Verfügung gestellt und kommentiert von:
www.kirchensteuer.de




Carsten Frerk
Violettbuch Kirchenfinanzen
Wie der Staat die Kirchen finanziert
Alibri, 2010
270 Seiten, kartoniert, Euro 16.-

Violett ist die Farbe des Fastens und nach der Lektüre des Violettbuchs Kirchenfinanzen drängt sich der Eindruck auf, den Kirchen stünde eine Fastenkur gut an. Denn Carsten Frerk führt eine lange Liste der Staatsleistungen, Subventionen und Zuschüsse aus öffentlichen Haushalten an die Kirchen oder ihre Einrichtungen auf. Ob es um die steuerliche Absetzbarkeit der Kirchensteuer geht, um Bischofsgehälter oder Kirchenbaulasten, um die Ausbildung des kirchlichen Nachwuchses oder Religionsunterricht, Militärseelsorge oder Auslandsmission – sämtliche relevanten Bereiche listet der Chefredakteur des Humanistischen Pressedienstes auf, erläutert Rechtsgrundlage und politische Hintergründe und nennt Zahlen. Dabei geht es nicht um Kleinigkeiten: Alles in allem erhalten die beiden großen christlichen Kirchen aus allgemeinen Steuermitteln mehr Geld, als sie selbst durch die Kirchensteuer einnehmen.



Carsten Frerk
Caritas und Diakonie in Deutschland
Alibri Verlag, 2005
366 Seiten, kartoniert, Euro 22,50

Caritas und Diakonie werden als im sozialen Sektor tätige Dienstleistungskonzerne, die unter dem mittelbaren Einfluß der Kirchen stehen, untersucht. Dabei spielen finanzielle Aspekte eine große Rolle, denn im Bereich der christlichen Wohlfahrtspflege arbeiten nicht nur knapp 1,5 Millionen Menschen, es werden auch rund 45 Milliarden Euro pro Jahr umgesetzt. Anhand von 160 Tabellen und Graphiken veranschaulicht Carsten Frerk Finanzierung und Tätigkeitsfelder. In Exkursen werden politische Fragen, etwa nach dem kirchlichen Arbeitsrecht oder der Versorgungssituation von Nichtgläubigen, erörtert.



Carsten Frerk
Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland
Alibri Verlag, 2002
435 Seiten, kartoniert, Euro 24,50

Carsten Frerk hat das Grundlagenwerk zur Bewertung der Finanzsituation der Kirchen geschrieben. Der gelernte Sozialwissenschaftler stellt die Einnahmen und das Vermögen der beiden großen christlichen Kirchen für Deutschland umfassend dar. Dazu hat er unzählige Statistiken, Haushalte und Geschäftsberichte ausgewertet. Die Zahlen stellt er in über 150 Schaubildern und Graphiken übersichtlich zusammen, so daß ein solide begründeter Eindruck entsteht von den finanziellen Möglichkeiten der Kirchen. Dazu trägt auch bei, daß der Begriff „Kirche“ weiter gefaßt wird, so daß auch der Kirche nahestehende Betriebe und Stiftungen erfaßt werden. Politische Fragen (wie nach der Zukunft der Kirchensteuer oder der Zulässigkeit staatlicher Zuschüsse) werden am Rande behandelt.



Ulli Schauen
Das Kirchenhasserbrevier
Ein verlorener Sohn rechnet ab
Heyne, 2010
304 Seiten, kartoniert, Euro 8,95

„Kirchenhaß“ – das ist die inhaltsleere, aber wohlfeile Entgegnung, die Kirchenfunktionäre gegen jede Kritik an Macht und Ideologie der Kirchen in Anschlag bringen. Der Journalist Ulli Schauen hat sich denn auch gar nicht die Mühe gemacht, einen möglichst sachlich klingenden Titel zu suchen. Menschenfreundlich ermöglicht sein Kirchenhasserbrevier den klerikalen Beleidigtseinprofis zu schäumen, ohne auch nur einen Blick ins Buch geworfen zu haben.
In den neun Kapiteln des Buches geht es hingegen ganz sachlich zur Sache. Schauen untersucht Felder, auf denen kirchliche Ansprüche mit der säkularen Gesellschaft aneinandergeraten. Er gibt einen kurzen Einblick in die kirchlichen Finanzen, erläutert beispielhaft die Verflechtung von Staat und Kirchen in Deutschland, führt uns vor Augen, daß der Bildungssektor das Feld kommender Kulturkämpfe sein wird. Anhand des Medienverständnisses kann Schauen erklären, wie fern die Kirche einer demokratischen Öffentlichkeit steht: sie hat bis heute nicht akzeptiert, daß es einen Unterschied zwischen Journalismus und PR gibt. Zwei Kapitel behandeln die Kirchen als Arbeitgeber, ein anderes erläutert die Funktion des „christlich-islamischen Dialogs“ (der eigentlich dieses Wort nicht verdient, da niemand anderes als der Papst deutlich gemacht hat, daß zentrale Voraussetzungen wie Lernbereitschaft auf Seiten der Christen nicht erwartet werden dürfen). Schließlich betont der Autor, daß das Christentum die „Werte“ nicht erfunden, dafür aber seine Geschichte fleißig zurechtgebogen hat.
Alles in allem bietet Schauen eine solide Einführung, gewissermaßen ein Brevier der Kirchenkritik; er spricht grundlegende Probleme an und verweist auf aktuelle Entwicklungen. Die journalistische Schreibe macht das Werk zu einer gut lesbaren Einstiegslektüre, die aber auch gut informierten „Kirchenhassern“ den einen oder anderen neuen Aspekt eröffnet. Die Behauptungen sind zudem in hunderten von Anmerkungen belegt (nur ein weiterführendes Literatur- und Linkverzeichnis fehlt).



Birgit-Sara Fabianek / Thomas Seiterich-Kreuzkamp
Und vergib uns unsere Schulden
Die Finanzpolitik der katholischen Kirche und ihre Geheimnisse
Publik-Forum, 2006
285 Seiten, kartoniert, Euro 14,90

Publik-Forum ist die auflagenstärkste christliche Zeitschrift, die explizit für innerkirchliche Mitbestimmung und Demokratie eintritt. Aus dieser Perspektive betrachten der Redakteur und die ständige Mitarbeiterin des Blattes die Sparmaßnahmen in der katholischen Kirche in Deutschland. Dabei erscheint die allseits diskutierte Finanznot in manchen Fällen als willkommene Begründung, um ungeliebte soziale oder kulturelle Aktivitäten abzuwickeln und den Spitzen der Kirchenverwaltung mehr Macht zuzuschanzen. Das Buch zielt auf ein an der Kirchenbasis engagiertes Publikum. Gleichwohl kommen auch kirchenferne Experten wie die ver.di-Funktionärin Renate Richter oder der Politologe Carsten Frerk (Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland) zu Wort.
Ausdrückliche Zielsetzung des Buches ist es, Alternativen zu dieser Entwicklung aufzuzeigen. Dazu versuchen der Autor und die Autorin zunächst, zu einer realistischen Einschätzung der Finanzlage und der Zukunftsaussichten zu kommen; anschließend erörtern sie einzelne Aspekte der Sparpläne mit ihren Folgen Besonderes Augenmerk legen sie auf die Situation der Beschäftigten. Am Beispiel des Bistums Aachen führen sie vor, wie ein Sparkonzept auf Kosten der kirchlichen Mitarbeiter durchgezogen wird; am Beispiel des Bistums Hildesheim zeigen sie, daß es auch anders geht.
Schließlich werden alle 27 Bistümer mit den wichtigsten finanziellen und organisatorischen Rahmendaten kurz dargestellt. Allerdings leidet diese Darstellung darunter, daß die Zahlen schwer vergleichbar sind, weil jedes Bistum seine Haushaltszahlen nach eigenen Vorstellungen veröffentlicht (im Vorwort sind die Probleme der Datenbeschaffung, auf die auch schon anderen Autoren, die sich mit kirchlichen Finanzen befassen, hingewiesen haben, mit Beispielen thematisiert).



Curzio Maltese
Scheinheilige Geschäfte
Die Finanzen des Vatikans
Kunstmann, 2009
158 Seiten, gebunden, Euro 16,90

Manche werden sich noch erinnern. In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts gab es zahlreiche Skandale um die Vatikanbank, Morde, Mafia und Moneten bildeten ein kaum durchschaubares Geflecht. Doch weniger diese damaligen Geschehnisse stehen im Mittelpunkt der vorliegenden Buches (obwohl sie kurz rekapituliert werden), sondern die neuen und neuesten Geschäfte des Vatikans. Galten die Finanzen des kleinsten Staats der Welt zur Zeit des plötzlichen Todes von Johannes-Paul I. als zerrüttet, so sind heute die Kassen der einzigen Religion, die eine eigene Bank unterhält, gut gefüllt. 
Gegründet wurde die Vatikanbank 1929 und von Mussolini als Wiedergutmachung für den Verlust des Kirchenstaates mit einem beträchtlichen Grundkapital ausgestattet. Für dieses Geschenk des Faschistenführers hat sich die Kurie erkenntlich gezeigt und seitdem in Italien die weltliche Obrigkeit bei ihren Kampf gegen alles, was als „links“, arbeitnehmerfreundlich oder zu sozial gilt, unterstützt. Dabei macht der Vatikan um seine Finanzen ein großes Geheimnis. Bekannt ist nur: der Vatikan gilt in wohlhabenden Kreisen als Steuerparadies. Zahlen werden nicht veröffentlicht, entsprechende Anfragen nicht oder nur wolkig-nebulös beantwortet. Trotzdem ist es dem renommierten Journalisten Curzio Maltese (u.a. Leitartikler der linksliberalen Tageszeitung La Repubblica) gelungen, durch eigene Recherchen einen Teil des Schleiers, der die Geschäfte des Vatikans umgibt, zu lüften. Die Kirchensteuer etwa, die ähnlich wie bei uns vom Staat eingetrieben wird, kommt auch dort nur zu einem kleinen Teil wohltätigen Zwecken zugute. Obwohl größter Immobilienbesitzer und größtes Tourismusunternehmen der Apennin-Halbinsel, zahlt der Vatikan keinen Cent Steuern für Hotels und Pilgerreisen. Kritiker dieser Verhältnisse bekommen schnell den langen Arm des Vatikans zu spüren: in Italien läuft fast nichts ohne Plazet des HeiligenStuhls oder seiner Untergebenen, und auch am Sturz Romano Prodis und der Wiedereinsetzung Silvio Berlusconis spielten die scheinheiligen Geschäfte des kleinsten Staats der Welt keine unerhebliche Rolle.
Das Buch schließt eine wichtige Lücke zum Verständnis des Finanzgebarens der Kirche und erklärt dem deutschen Leser die Verschiedenheiten, aber auch Gemeinsamkeiten der Situation hier wie dort.

 

Gianluigi Nuzzi
Vatikan AG
Ein Geheimarchiv enthüllt die Wahrheit über die Finanz- und Politskandale der Kirche
Ecowin, 2010
356 Seiten, gebunden, Euro 22,50

In den 1980er Jahren gab es großes Aufsehen, als die Banco Ambrosiano zusammenbrach, in der Folge zwei Bankiers die vorzeitige Reise ins Jenseits antraten und immer deutlicher wurde, daß es um schmutzige Geschäfte ging und daß Geldinstitute des Vatikan in die Sache verwickelt waren. Es erschienen mehrere Bücher zu den Vorfällen, aber da sich der Vatikan mit einer Mauer des Schweigens umgab und insbesondere Erzbischof Marcinkus, der als einer der Drahtzieher galt, sich seiner Verhaftung entzog, zeitlebens keine Aussage machte und von der Kurie gedeckt wurde, blieb vieles Spekulation.
Das Buch des italienischen Journalisten Gianluigi Nuzzi ändert dies. 2008 erhält er Zugang zu einem Archivbestand, von dem bis dahin nichts bekannt war. Monsignor Renato Dardozzi hatte in den über 20 Jahren, die er im Vatikan tätig war (u.a. als Kanzler der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften), über 4.000 Dokumente gesammelt – Briefe, interne Berichte, Bankunterlagen, viele davon mit brisantem Inhalt. Auf diesen Bestand konnte Nuzzis zurückgreifen.
Auf den 350 Seiten seines Buches, das in Italien über 250.000 mal verkauft wurde, erzählt er dann zwei Geschichten. Im ersten Teil bringt er Licht in das vatikanische Finanzimperium und dessen Verstrickung in kriminelle Machenschaften. Minutiös führt er vor, wie das System funktionierte, und was mit den Geldern der Gläubigen so alles unternommen wurde. Nuzzi nennt Namen, gewährt uns Einblick in die Fraktionskämpfe und zeigt, wie das Werk Gottes und der Eigennutz bestimmter Prälaten manchmal in vollkommener Übereinstimmung waren. Dabei bestätigen die Dokumente viele der immer erhobenen Vorwürfe von Bestechung oder Geldwäsche.
Der zweite Teil des Buches befaßt sich mit der Frage, inwieweit der Vatikan mit Geld aus „besonderen“ Kassen in den 1990er Jahren Einfluß auf die italienische Politik genommen hat. Insbesondere geht es um die angestrebte Gründung einer Nachfolgepartei der Democrazia Cristiana, die bestimmte Kreise im Vatikan nach Kräften unterstützt haben sollen. Auch wenn hier die „harten“ Belege oft fehlen (z.B. Aussagen von „Kronzeugen“ herangezogen werden), wird deutlich: es gab im Vatikan bis in die jüngste Vergangenheit ein System der Finanzverwaltung, das dem Papst Mittel in beachtlicher Höhe für politische Interventionen bereitstellte.

Ein halbes Jahr nach Erscheinen des Buches hat der Vatikan im Finanzsektor personelle und strukturelle Veränderungen durchgeführt. Ob dies einen grundlegenden Wandel andeutet oder medienwirksam die üblichen „Bauernopfer“ dargebracht werden, sei dahingestellt. Doch die von Nuzzi ausgebreiteten Fakten lassen die Grundzüge eines Systems erahnen und ermöglichen es so, auch in Zukunft die richtigen Fragen zu stellen.

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