Samstag, 28. Januar 2012

Walter Moers und das literarische Tabu

Preisfrage:
Was haben folgende Unterhaltungswerke gemeinsam:

  • - Kaptain Blaubär, 5minütige Zeichentrickgeschichten im Kinderprogramm "Die Sendung mit der Maus" - seit Jahrzehnten Sonntags 11:30Uhr auf dem ARD zu sehen
  • - das kleine Arschloch, provokante Comicverfilmung um einen gesellschaftsfeindlichen Minderjährigen - nicht jugendfrei und selbst für viele Erwachsene ein harter Tobak und hart an der Grenze der Zumutbarkeit
  • - Rumo und die Wunder im Dunkeln, wertvoller Fantasy- und Entwicklungsroman, Teil einer Buchreihe über einen fiktiven Kontinent namens Zamonien, reichhaltige Anspielungen an Weltliteratur in der ganzen Romanreihe

... wisst ihrs?
Alle drei genrefernen Werke haben den gleichen Schöpfer:
Walter Moers - den unterschätzten Genius!



Ein problematischer Erfolgsautor und sein Werk

Literaturpreise

Walter Moers ist einer der kommerziell erfolgreichsten deutschsprachigen Autoren, deswegen wäre jeder Versuch absurd, ihn als „verkanntes Genie“ hinzustellen. Die Stadt der Träumenden Bücher wurde bereits 2005, also kurz nach der Veröffentlichung, mit zwei Literaturpreisen ausgezeichnet, dem Sonderpreis der Jury der jungen Leser und dem Phantastik-Preis der Stadt Wetzlar. Bemerkenswert ist jedoch die Parallele zu Umberto Ecos Bestseller Der Name der Rose: Auch dieser Roman wurde (und wird zum Teil noch heute) vom größten Teil seiner breiten Leserschaft ausschließlich als geistvolle Variation des literarischen Genres des Kriminalromans gelesen. Kritik und Literaturwissenschaft brauchten einige Zeit, um zu der Einsicht zu gelangen, dass Eco tatsächlich einen, wenn nicht den paradigmatischen postmodernen Roman vorgelegt hatte. In gleicher Weise – die erwähnten Preisverleihungen untermauern dies – verhält sich der deutsche Literaturbetrieb gemäß den ihm eigenen Stereotypen gegenüber Moers; der als Comiczeichner berühmt Gewordene wird nun in die Position eines etwas anarchischen, aber doch anspruchsvollen Kinder- und Jugendbuchautors „weggelobt“.

Haltung des Autors zum eigenen Werk

Im Gegensatz zu Eco scheut Moers die Öffentlichkeit und den Literaturbetrieb sehr stark. Er gibt kaum Interviews und steht dem akademisch-intellektuellen Diskurs eher fern. Wo Eco in seiner universitären Arbeit jahrelang den geistigen Boden bereitet hat für den Roman, mit dem er schließlich Erfolg beim großen Publikum hatte, war Moers auf der anderen Seite schon lange Zeit ein erfolgreicher Comic-Autor. Dass das Comic-Genre seit den 1990er Jahren langsam sein „Schmuddelimage“ verloren hat, liegt jedoch sicher nicht primär an den Moers'schen Cartoons. Vom Schöpfer provokanter, den so genannten guten Geschmack bewusst verletzender Figuren wie dem Kleinen Arschloch oder Adolf, der Nazi-Sau anspruchsvolle Literatur zu erwarten oder zu akzeptieren, fällt dem literarischen Establishment in Deutschland nicht leicht.

Moers verletzt die Erwartungshaltungen des Lesepublikums im deutschsprachigen Raum an „hohe“ Literatur mit den mannigfaltigsten Methoden; zuweilen liegt der Verdacht nahe, er lege es nachgerade darauf an, dies auf jeder nur denkbaren Ebene zu tun. Was die Zamonien-Romane angeht, ist das auffälligste Stilmittel, das der Autor einsetzt, um diesen Effekt zu erzielen, die kinderbuchartige Aufmachung (unterstützt durch den „Stammbaum“ der Romane, also ihre Verbindung mit der Figur des Käpt'n Blaubär, der mit der Kindersendung mit der Maus assoziiert wird). 
Auch die Anlehnung an Stilmittel der Fantasy-Literatur, die in Deutschland traditionell als minderwertig angesehen wird, ist in diesem Sinne durchaus hilfreich.

Ecos Der Name der Rose erschien 1980, als der Begriff der Postmoderne eben erst ins allgemeine Bewusstsein zu treten begann; der Autor selbst hat in seinen theoretischen und feuilletonistischen Schriften nicht wenig zur Popularisierung dieser Kunstauffassung beigetragen. Dagegen betritt Moers die literarische Bühne erst zwei Jahrzehnte später, als die Postmoderne als umfassendes stilistisches Phänomen bereits wieder auf dem Rückzug zu sein scheint. Dennoch lassen sich am Moers'schen Romanwerk die für den postmodernen Roman als typisch empfundenen Kriterien praktisch vollzählig und in geradezu schulbuchhafter Manier nachweisen.


mit Dank an den Autor bei Wikipedia,
welcher mir diese Zeilen hinterließ

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