Samstag, 28. Januar 2012

Der Schattenkönig [3/3]

WIE um alles in der Welt mögt ihr euch fragen, kann man sich in ein Monster verlieben?

Der Schattenkönig - jene in die Tiefen Buchhaims verbannte Kreatur, von der die Bewohner der Stadt der Träumenden Bücher nur unter Furcht sprechen... welche die Abgründe der Stadt beherrscht und niemals an die Oberfläche darf?

Ich habe mich in diese Wesenheit verliebt und ich würde es wohl immer wieder tun.
Denn jener Schattenkönig stellt sich als nichts anderes heraus, denn als verbannter Engel - als jenes Wesen das den Funken in sich trug, von dem der Herrscher der Stadt nicht wollte dass je ein Wesen ihn empfängt.

Herr Walther Moers ist ein Autor der nicht von sich reden lässt.
Von daher kann ich nicht mit Sicherheit behaupten was der Zweck seines Werkes war... den tiefen Symbolgehalt aber der darin schlummert, den gebe ich hiermit jedoch weiter:

WER ist der Schattenkönig?



Wikipedia öffnete mir eines Tages - weitere Jahre nach dem Lesen dieses Werks die Augen.
Über jenen Schattenkönig, dessen ganzes Wesen mich so sehr gebannt hatte, dessen Geschichte in mir eine unbewusste RESONANZ erschuf, las ich nämlich folgendes:

In der Stadt der Träumenden Bücher tritt eine Figur auf, die nicht nur im Rahmen der Romanhandlung, sondern auch in ihrer literarischen Provenienz sehr deutlich als „aus Büchern zusammengesetzt“ erkennbar wird, der Schattenkönig. Moers führt in ihm verschiedene literarische Traditionen des bad guy zusammen und tut dies obendrein auf eine Weise, die den Leser dazu einlädt, das Spiel des Autors mit verschiedenen (als einigermaßen bekannt vorausgesetzten) Figuren aus den vorerwähnten Genres zu „durchschauen“: 




Der Dunkle Herrscher
Solange der Schattenkönig selbst noch nicht aufgetreten ist, wird er vor allem mit Attributen ausgestattet, die etwa den Tolkien-Leser ausgesprochen an den „Herrn der Ringe“, Sauron, in seinem Dunklen Turm (hier „Schloss Schattenhall“ genannt) erinnern müssen: ein gesichtsloser, maßlos grausamer und so gut wie allgegenwärtiger Tyrann.
  
Homunculus
Der Name, unter dem wir den Schattenkönig schließlich kennenlernen, lautet Homunkoloss, eine Anspielung auf die seelenlosen homunculi (lat.: [künstliche] Menschlein), die die Alchimisten zu erschaffen suchten. Diese sehr alte und verbreitete Vorstellung dürfte den meisten Lesern, zumindest vage, über die Faustsage und Goethes Drama bekannt sein.
  
Frankenstein
Die Episode um die eigentliche Erschaffung des Schattenkönigs zitiert unzweifelhaft Mary Shelleys legendären Schauerroman Frankenstein oder der moderne Prometheus von 1819.
  
Der Golem
Die enge Beziehung, in der der Schattenkönig zum geschriebenen Wort steht, greift auch die Sage vom Golem und Gustav Meyrinks 1915 entstandenen Roman zu diesem Thema auf: Der Golem braucht bekanntlich, um zum Leben zu erwachen, einen Zettel, auf dem der Name (hebr. שם, schem) Gottes geschrieben steht. Wenn auch Phistomefel Smeik sonst wenig Ähnlichkeit mit dem Hohen Rabbi Löw zeigt – im Gegenteil gleicht Smeiks Porträt (S. 98) mit seinen schrägliegenden Augen eher dem von Hugo Steiner-Prag 1916 gezeichneten Golem –, ähnelt er seinem quasi-historischen Vorbild doch darin, dass er ein künstliches Wesen zum Zwecke des Schutzes (in diesem Fall: der Katakomben) erschafft.
  
Dracula
Eine der bekanntesten Eigenschaften des ursprünglich von Bram Stoker geschaffenen (1897) und in vielen Genre-Filmen weiterentwickelten (vgl. zum Beispiel Friedrich Wilhelm Murnaus Nosferatu) Vampirs Dracula ist sein Handicap, beim Kontakt mit Sonnenlicht verbrennen zu müssen. Damit stattet Moers auch seinen Schattenkönig aus: Von seinem Peiniger wurde er auf diese Weise vor vielen Jahren gezwungen, in ewiger Dunkelheit zu hausen. Am Ende des Buches begeht er Selbstmord, indem er sich ein letztes Mal in die leuchtende, wärmende Sonne stellt und sie betrachtet.

  
Luzifer
Als sich schließlich die wahre Identität des Schattenkönigs herausstellt, nimmt dieser wie selbstverständlich Züge des gefallenen Engels Luzifer an, einschließlich der diesem oft nachgesagten existentiellen Trauer über den Verlust, den er mit der Verbannung in sein unterirdisches Reich erlitten hat. Da die Figuren von Luzifer und Prometheus (als „Lichtbringer“) eng verwandt sind, können wir in dem flamboyanten letzten Auftritt des Schattenkönigs auch diese weitere Konnotation annehmen.

Als ich dieses las ging mir buchstäblich ein Licht auf...
In der Zwischenzeit war ich längst aktiver Kämpfer gegen Dunkel und Unwissen - gegen die Verbannung jener, welche die Wahrheit sprechen zum Schutze der Lügen unserer Welt, gegen die Scheinmoral der falschen Heiligen, welche die wahrhaft Rechtschaffenen dafür hassten dass ihre Ausstrahlung echt und nicht nur Fassade war [selbst hatte ich es ja erlebt] - Nein... in der Zwischenzeit hatte ich eine Gottheit kennen gelernt, an der all diese Ambitionen und Ungerechtigkeiten lasten wie an keinem Zweiten...

Prometheus 
- den Gebannten und Verleugneten
- den Lichtbringer

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