Montag, 23. Januar 2012

Vom Islam in Indonesien

zur Verfügung gestellt von wissenrockt.de


"Blasphemie": Indonesischer Atheist verprügelt und eingesperrt

West-Sumatra: Kritik am Islam führte zum Überfall durch gewalttätigen Mob. Dem Opfer drohen bis zu sechs Jahre Haft.

 

 

In Indonesien ist der 31-Jährige Alexander Aan der Blasphemie bezichtigt, geschlagen und anschließend inhaftiert worden. Aan hatte auf einer Facebookseite die Existenz eines Gottes bestritten und dabei auch Passagen aus dem Koran verwendet. Nach den Gesetzen des Landes droht ihm nun eine lange Gefängnisstrafe. Muslimische Geistliche diskutieren über Konsequenzen für den Apostaten, Unterstützer versuchen über das Internet öffentlichen Druck für eine Freilassung zu mobilisieren

Die Inhaftierung wurde von Anzeigen islamischer Organisationen begleitet, darunter dem Indonesischen Rat der Religionsgelehrten Majelis Ulama Indonesia (MUI). Alexander Aan, Angestellter einer Regionalplanungsgesellschaft in der indonesischen Provinz West-Sumatra, hatte den Satz „Es gibt keinen Gott“ auf die vom ihm moderierte Facebookseite „Ateis Minang“ gepostet und über den Koran diskutiert. Als er am Mittwoch an seinem Arbeitsort eintraf, wurde er von einem wütenden Mob attackiert und zusammengeschlagen. Um Schlimmeres zu verhindern, nahm die Polizei ihn daraufhin zunächst in Schutzhaft.




In Indonesien gestattet die Verfassung, neben dem Islam fünf weitere Religionen zu praktizieren. Die Praktizierung nichtreligiöser Einstellungen, darunter atheistischer Haltungen, ist hingegen nicht vom „Pancasila“ genannten Verfassungsprinzip vorgesehen.
Aans Äußerungen fallen daher nicht unter den Schutz  der Gesetze des Landes, die laut dem Auswärtigem Amt der Bundesrepublik Deutschland zu rund 88 Prozent aus islamischen Gläubigen besteht. Die Provinz West-Sumatra gilt als Region, die von einem fortschrittlichen und liberalen Islam bestimmt wird.

Alexander Aan sei seit 2008 Ex-Muslim und seine Diskussionen bei Facebook würden seit längerem Unruhe auslösen, hieß es. Auch als der Mob ihn attackierte, habe er gegenüber den Umstehenden bekannt, Atheist zu sein, und die Empörung dadurch angeheizt.
Am Freitag bestätigte auch der örtliche Polizeichef Chairul Aziz, dass Alexander Aan der Verstoß gegen Artikel 156A des Strafgesetzbuches über das Verbot der “Entweihung von Religion” vorgeworfen wird.
Aziz meinte, die Verwendung von Koranpassagen zur Kritik an den Glaubenswahrheiten beleidige Religionen, in diesem Fall den Islam. Die Strafgesetze sehen dafür eine Strafe von bis zu fünf Jahren Gefängnis vor. Ermittelt wird auch wegen der Verbreitung demütigender Schriften durch elektronische Dokumente und Urkundenfälschung, berichtete die indonesische BBC. Hier ist eine Freiheitsstrafe von bis zu sechs Jahren vorgesehen, außerdem eine Geldstrafe von bis zu einer Milliarde Rupien, was umgerechnet rund 86.000 Euro entspricht.

Gegen die fortgesetzte Inhaftierung und die Blasphemiegesetze protestieren jetzt kleine Gruppen indonesischer Atheisten und staatliche Menschenrechtskommission. Ifdhal Kasim von der indonesischen Menschenrechtskommission (Komnas HAM) warf der Polizei wegen ihres Vorgehens Befangenheit vor und forderte, die Meinungsfreiheit statt die Meinungen der Mehrheit zu schützen.
Am Donnerstag besuchten Familienangehörige und der Gouverneur der Regentschaft Dharmasraya in der Provinz West-Sumatra, Adi Gunawan, den Gefangenen.  Gunawan versuchte laut Medienbericht etwa eine Stunde lang, Aan über die Rechtsklage aufzuklären und ihn zu einer Zurücknahme seiner Aussagen zu bewegen – aber ohne Erfolg.

Gunawan erklärte anschließend, die Bezirksregierung hätte keine Befugnis, über Aan Sanktionen zu verhängen. „Das ist eine Sache von Polizei und Staatsanwaltschaft. Lassen Sie ihn auf den Prozess warten“, so Gunawan. Er forderte die Öffentlichkeit auf, geduldig zu sein und sich nicht dazu provozieren zu lassen, das Gesetz in die eigenen Hände zu nehmen. Zudem könne Alexander Aan die Spitze eines Eisberges darstellen, weshalb umfassendere Untersuchungen notwendig seien.


Auch bei seinen Eltern stößt Alexander Aan offenbar auf wenig Verständnis. Medienberichten zufolge erklärte der Vater, sich für das Verhalten des Sohnes zu schämen. „Wir haben nicht erwartet, dass er so etwas tun wird. Wir können nur hoffen, dass Alex wieder zu den wahren Lehren zurückkehrt.“ Boy Lestari, Vorsitzender der muslimischen Tarbiyah Islamiyah, widersprach Auffassungen, wonach die jetzt aufgebrochenen Konflikte aus Mängeln im Bildungssystem herrühren. „Abgesehen davon, dass es (der Atheismus) von rechtlicher Seite verboten ist, ist es zudem von religiöser Seite falsch und muss bekämpft werden.“
Auch andere muslimische Geistliche beschäftigt der Fall, er wird unter anderem auf einen Mangel an Bestimmung in der religiösen Unterweisung zurückgeführt. „Eltern müssen in Zukunft mehr wachsam sein und aus den Erfahrungen in Dharmasraya lernen“, so der islamische Rechtsexperte Asasriwarni, Leiter mehrerer islamischer Schulen. Die Atheisten, die heute 2,3 Prozent der Weltbevölkerung stellen, seien im 18. Jahrhundert aus Griechenland gekommen, erklärte er. Und wenn der Atheist Alexander Aan toleriert werde, würden sich weitere ihm anschließen. Asasriwarni forderte, dass der Inhaftierte auch seine Arbeitsstelle verlieren sollte.

Bei der MUI wird auch diskutiert, wie man weiter mit dem Apostaten verfahren sollte. Er müsse drei Mal gebeten werden, zum Islam zurückzukehren. Falls der Abtrünnige weiter auf seinem Unglauben bestehe, müsse er nach dem islamischen Gesetz vernichtet werden. „Unglücklicherweise ist das nach dem weltlichen Gesetz nicht anwendbar“, so ein Vertreter der MUI.
Atheisten und Menschenrechtsaktivisten in der Region versuchen nun, mehr Aufmerksamkeit für den Fall zu erzeugen und sich auch direkt an die Behörden zu werden. „Der Zweifel an der Vorstellung von Gott ist kein Verstoß gegen das Gesetz“, heißt es unter anderem. Mehrere Seiten, die für Solidarität mit ihm werben und seine Freilassung fordern, sind entstanden. Auf einer Seite für die Freilassung Aans heißt es: „Indonesien ist kein islamisches Land.“ Außerdem werden Aufrufe verbreitet, sich mit SMS an den Polizeichef und die indonesische Menschenrechtskommission zu wenden.

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