Dienstag, 13. Dezember 2011

Säuglingstaufe - ein Eingriff ins Grundrecht



“Das wollte ich meinen Kindern ersparen”
Umstrittene Kindertaufe: ZDF-Sendung berichtet über einen Trend, nach dem Eltern die Jüngsten zunehmend häufiger selbst entscheiden lassen.


Rund 170.000 Taufen registrierte die Deutsche Bischofskonferenz laut ihrem Bericht für das vergangene Jahr. Das entspricht rund einem Viertel aller Geburten in Deutschland. Keine entsprechenden Zahlen darüber liegen bisher von der Evangelischen Kirche in Deutschland vor. Klar ist aber, dass jährlich immer noch Zehntausende Eltern ihre kaum wenige Tage alten Kinder taufen lassen. Was heute zunächst oft nur eine Zeremonie im Kreis von Familie und Freunden zur Feier des Neugeborenen ist, geht in kirchlicher Perspektive auf sehr spezielle und äußerst fragwürdige Ideen zurück.

Denn hinter der Taufe steckt die Vorstellung, dass die Neugeborenen einer Reinigung von einer metaphysischen Schuld durch den Vertreter eines Gottes bedürfen – eine Idee, welche aus den archaischen Mythen unaufgeklärterer Gemeinschaften unserer Spezies herrührt und die viele christliche Gläubige auch heute noch mit allem Ernst auf die Legenden aus der Bibel zurückführen. Das Problem: Mit der Taufe werden die an diesen Ritualen beteiligten Säuglinge auch in Deutschland offiziell als Mitglieder der Kirchen registriert.

Während säkulare Organisationen und fast alle Vereine in der modernen Zivilgesellschaft auf solche Verfahren zur Gewinnung unmündiger Mitglieder verzichten, können Kirchenvertreter unter anderem deshalb auf Millionen von Angehörigen verweisen und ihre gesellschaftliche Rolle damit in einer wenig legitimen Weise aufwerten. Was viele Menschen mit großer Nähe zu kirchlichen Organisationen nicht wissen oder wissen wollen, wird aber möglicherweise zunehmend von verantwortungsbewussteren Müttern und Vätern aus Deutschland selbst in Frage gestellt. Im ZDF wurde am Sonntag über Eltern berichtet, die ihre Kinder selbst entscheiden lassen möchten.

„Ich möchte, dass sie das selbst entscheidet, wenn sie erwachsen ist, weil ich einfach der Meinung bin, dass es eine bewusste Entscheidung sein sollte“, sagt im kurzen Beitrag des ZDF eine junge Mutter zu ihren Erwägungen über die Taufe der Tochter. Allein ist die junge Frau mit ihrem Entschluss weder in Deutschland noch in Europa – obwohl er immer noch relativ selten ist.


Die British Humanist Association führte deshalb im vorletzten Jahr eine groß angelegte Kampagne durch. Ziel war, das Bewusstsein für die Tatsache zu erhöhen, dass Kinder nicht religiös oder politisch etikettiert werden können. Denn so wenig wie es möglich sein darf, dass Parteien auf die Kinder von Parteiangehörigen als „liberale“, „grüne“ oder „linke“ Mitglieder verweisen dürfen, ist die Vereinnahmung von sogenannten „muslimischen“, „christlichen“ oder auch „atheistischen“ Kindern durch Organisationen unzulässig – solange die Heranwachsenden nicht wenigstens ein Minimum an Urteilskraft besitzen, um in solch grundlegenden Fragen über ihre Stellung in der Welt eine bewusste und selbstständige Entscheidung zu treffen. Was bei Neugeborenen doch schließlich niemals der Fall sein wird.


Denn auch politische Parteien etwa verlangen für den Beitritt ein Mindestalter zwischen 14 und 16 Jahren. Bei vielen anderen Organisationen muss ein Mensch mindestens 18 Jahre alt werden, um offiziell Mitglied werden zu können. Bei Gemeinschaften, die sich als religiös bezeichnen, ist es wiederrum häufig ohne irgendwelchen plausible Gründe ganz anders. Aber auch im Bewusstsein von diesen Problemen entscheiden sich Eltern dafür, kleine Kinder taufen und als Mitglied einer Kirche registrieren zu lassen.
Sozialer Druck ist die Ursache.

„Wenn die nicht getauft sind bzw. nicht in der Kirche sind werden die völlig ausgeschlossen, was ich schon oft genug erlebt habe und das wollte ich meinen Kindern ersparen“, erklärte eine andere Mutter im ZDF-Bericht ihre Gründe für die Taufe. Ein Vater meinte: „Weil es halt alle machen.“ Es heißt, vor allem in ländlichen Regionen sei der Verzicht auf die Taufe ein gesellschaftliches Problem. „Es ist halt Tradition, man muss das so machen“, berichtet eine Mutter weiter.



Ganz neu sind die öffentliche Kritik und die Schilderungen über den sozialen Druck zur Teilnahme an fragwürdigen Ritualen nicht. Im vor zwei Jahren veröffentlichten Sammelband unter dem Titel „Wozu brauche ich einen Gott? Gespräche mit Abtrünnigen und Ungläubigen“ haben über ein Dutzend früherer Kirchenmitglieder über solche Erfahrungen berichtet. Die Repressionen gegenüber kirchenfern oder kirchenkritisch eingestellten Menschen wurden dabei als gravierende Missstände für eine offene Gesellschaft aufgezeigt. Ausschlüsse aus Gemeinschaften und Drangsalierungen wegen fehlender Taufe sind kein Einzelfall.

[Anmerkung:
wovon ich als Neuapostolisch geborener ein Liedchen singen kann... --__--
fuuuurchtbar]



Doch sogar bei den Redakteuren des ZDF-Berichtes existiert offenbar nur ein beschränktes Problembewusstsein. Denn dort heißt es schließlich: „Die Taufe droht für viele mehr und mehr zu einer äußeren Konvention zu werden, ohne innere Überzeugung. Eine Herausforderung für die Kirchen.“

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