Freitag, 16. Dezember 2011

Menschenrechte für Menschenaffen (2)

Das Great Ape Projekt



 "Das Great Ape Project (kurz: GAP) ist eine internationale Organisation, hinter der die Idee steht, bestimmte Grundrechte, die derzeit dem Menschen vorbehalten sind, für die Menschenaffen (engl. Great Apes) - also Bonobos, Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans - zu fordern: Das Recht auf Leben, der Schutz der individuellen Freiheit, Verbot von Folter."

Hervor ging es aus dem gleichnamigen Buch von den Philosophen Paola Cavalieri und Peter Singer - dieses erschien 1993 und enthält unter anderem Beiträge von Richard Dawkins und Jane Goodall. Das Prjekt begründet sich mit der hohen genetischen, wie auch geistigen und empathischen Ähnlichkeit zwischen Menschenaffen und Mensch.

Nicht nur die Übereinstimmung unserer Erbanlagen von mind. 97 bis zu über 99 Prozent, welche es möglich macht zwischen den Arten Bluttransfusionen durchzuführen - auch die Möglichkeit über nahezu gleiche Mimik, ähnliche Gestik und Zeichensprache zu kommunizieren stellt den angeblichen Unterschied zwischen Mensch und Großaffe regelmäßig in Frage.






Equality beyond humanity
Ein Volltextzitat der Organisation



"Wir sind Menschen und zugleich Große Menschenaffen.
Daß wir der menschlichen Spezies angehören, verleiht uns einen hohen mo­ralischen Status: die Zugehörigkeit zum Kreis der moralisch Glei­chen. All jene, die diesem Kreis angehören, haben nach unserer Auffassung Anspruch auf einen besonderen. moralischen Schutz.

Es gibt Dinge, die wir ihnen nicht antun dürfen. Sie besitzen Grund­rechte, die jenen, die außerhalb dieser Sphäre der moralischen Gleichheit stehen, verwehrt werden. Dieses Buch fordert dazu auf, uns bei der Bestimmung der Grenzen dieses Kreises der moralisch Gleichen nicht auf die Tatsache zu konzentrieren, daß wir mensch­liche, sondern daß wir intelligente Wesen mit einem reichen und vielschichtigen sozialen und emotionalen Leben sind. Dies sind Eigenschaften, die wir jedoch nicht nur mit unseren Mitmenschen, sondern auch mit den anderen - den nichtmenschlichen - Großen Menschenaffen teilen. Deshalb sollten wir die Zugehörigkeit zu dieser umfassenderen Gruppe als hinreichende Voraussetzung an­erkennen, um in den Kreis der moralisch Gleichen einbezogen zu werden. Unser Ziel ist es, diesen Kreis so zu erweitern, daß er nicht nur unsere eigene Spezies umfaßt, sondern auch diejenigen Spezies, denen unsere nächsten Verwandten angehören und die uns in ihren Eigenschaften und Lebensweisen am ähnlichsten sind.

Dies ist nur ein vorsichtiger Schritt: Es gibt verhältnismäßig wenige Große Menschenaffen auf der Welt, und wenn wir das Prinzip der Gleichheit auf sie ausdehnen, würde dies eine weitaus bescheidenere Umstellung unseres Lebens erfordern als etwa die Ausdehnung auf alle Säugetiere. [...] Trotz seiner begrenzten Reichweite ist dieses unmittelbare Ziel jedoch ein Schritt von wirklich historischer Be­deutung. Wie die Aufsätze dieses Buches zeigen, haben wir heute ausreichende Kenntnisse über die Fähigkeiten von Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans, um deutlich zu machen, daß die morali­sche Grenze, die wir zwischen uns und ihnen ziehen, unhaltbar ist. Die Zeit ist daher reif, das Prinzip der moralischen Gleichheit auch auf die Mitglieder anderer Spezies auszuweiten. Die Argumente, dies zu tun, sind überwältigend. [...]
  


Deklaration über die Großen Menschenaffen
 
Wir fordern, daß die Gemeinschaft der Gleichen so erweitert wird, daß sie alle Großen Menschenaffen miteinschließt: Menschen, Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans.
»Die Gemeinschaft der Gleichen« ist die moralische Gemein­schaft, innerhalb derer wir bestimmte moralische Grundsätze oder Rechte anerkennen, die unsere Beziehungen untereinander regeln und die gerichtlich einklagbar sind. Zu diesen Grundsätzen oder Rechten gehören die folgenden:

1.  Das Recht auf Leben
Das Leben der Mitglieder der Gemeinschaft der Gleichen ist zu schützen. Mitglieder der Gemeinschaft der Gleichen dürfen nicht getötet werden, außer in streng festgelegten Situationen wie zum Beispiel in Notwehr.

2. Der Schutz der individuellen Freiheit
Mitglieder der Gemeinschaft der Gleichen dürfen nicht willkürlich ihrer Freiheit beraubt werden; falls sie ohne vorheriges ordentliches Gerichtsverfahren eingesperrt sein sollten, haben sie das Recht auf sofortige Freilassung. Die Inhaftierung derjenigen, die keines Verbrechens überführt oder nicht strafmündig sind, ist nur erlaubt, wenn erwiesen werden kann, daß es zu ihrem eigenen Wohl ist oder notwendig wird, um die Allgemeinheit vor einem Mitglied der Gemeinschaft zu schützen, welches in Freiheit eindeutig eine Ge­fahr für andere darstellen würde. In solchen Fällen haben die Mit­glieder der Gemeinschaft der Gleichen das Recht, entweder direkt oder, falls ihnen die notwendigen Fähigkeiten fehlen, durch einen Rechtsbeistand ein Gericht anzurufen.

3. Das Verbot der Folter
Einem Mitglied der Gemeinschaft der Gleichen entweder böswillig oder für einen angeblichen Nutzen anderer wissentlich ernsthaften Schmerz zuzufügen, gilt als Folter und ist unrecht.


Derzeit gelten nur Angehörige der Spezies Homo sapiens als Mit­glieder der Gemeinschaft der Gleichen. Die erstmalige Einbezie­hung nichtmenschlicher Tiere in diese Gemeinschaft ist ein ehrgei­ziges Vorhaben.
Der Schimpanse (gemeint sind sowohl der Pan troglodytes als auch der Zwergschimpanse Pan paniscus), der Go­rilla, Gorilla gorilla, und der Orang-Utan, Pongo pygmaeus, sind die nächsten Verwandten unserer Spezies. Auch sie haben geistige Fähigkeiten und ein emotionales Leben, die hinreichend sind, ihre Einbeziehung in die Gemeinschaft der Gleichen zu rechtfertigen. Auf den Einwand, daß Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans nicht in der Lage sein werden, ihre eigenen Ansprüche innerhalb der Gemeinschaft zu verteidigen, erwidern wir, daß ihre Interessen und Rechte durch gesetzliche Vertreter in der gleichen Weise zu schüt­zen sind, wie die Interessen junger oder geistig behinderter Angehö­riger unserer eigenen Spezies.

Wir erheben unsere Forderung zu einem besonderen Zeitpunkt in der Geschichte. Nie zuvor war unsere Herrschaft über andere Tiere so durchdringend und systematisch. Aber dies ist auch ein Augenblick, da aus eben der westlichen Gesellschaft, die ihre Herr­schaft so unerbittlich ausgedehnt hat, eine rationale Ethik hervor­gegangen ist, die die moralische Bedeutung der Zugehörigkeit zu unserer eigenen Spezies in Frage stellt. Diese Herausforderung zielt auf die gleiche Berücksichtigung der Interessen aller Tiere, der menschlichen und nichtmenschlichen. Sie ließ eine noch nicht gefe­stigte, aber wachsende politische Bewegung entstehen. Die lang­same, aber stetige Ausdehnung der Reichweite der goldenen Regel - »behandle andere so wie du von ihnen behandelt werden möch­test« - ist weiter fortgeschritten. Der Begriff »wir« als Gegensatz zu »den anderen«, der wie eine immer abstrakter werdende Silhouette im Laufe der Jahrhunderte die Umrisse der Grenzen des Stammes, der Nation, der Rasse und der menschlichen Spezies annahm und der für eine Zeitlang die Speziesgrenze hat verhärten und erstarren lassen, ist wieder lebendig geworden - bereit für weitere Verände­rungen.
Das Great Ape Projekt wird in diesem Prozeß der Erweiterung der Gemeinschaft der Gleichen nur ein Schritt sein. [...]

Die Lösung einer moralischen Kontroverse ist oftmals nur der Anfang und nicht das Ende eines sozialen Problems. Auch wenn wir zeigen können, daß unsere Auffassung wohlbegründet ist, wissen wir, daß die Zeit noch fern ist, in der die über die Welt verstreuten Angehörigen der Schimpansen-, Gorilla- und Orang-Utan-Spezies befreit werden können und in der sie ihre so verschiedenen Leben als Gleiche in ihren eigenen besonderen Territorien innerhalb unserer Länder oder aber frei in den äquatorialen Wäldern leben wer­den, zu denen sie einst gehörten.
Wie immer, wenn moralischer Fortschritt seinen Lauf nimmt, werden die Hindernisse vielfältig und der Widerstand derjenigen, deren Interessen bedroht sind, groß sein. Kann es also gelingen? Im Unterschied zu anderen unterdrück­ten Gruppen, die die Forderung nach Gleichheit durchsetzen konn­ten, sind Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans nicht in der Lage, für sich selbst zu kämpfen. Werden wir die sozialen Kräfte vorberei­tet finden, in ihrem Namen zu kämpfen, um zu erreichen, daß sie in die Gemeinschaft der Gleichen einbezogen werden? Wir glauben, daß es gelingen kann. Während einige unterdrückte Menschen ihren Sieg durch eigenen Kampf erlangt haben, sind andere immer so machtlos gewesen wie es Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans heute sind. Die Geschichte zeigt uns, daß es immer schon innerhalb unserer eigenen Spezies diesen einen rettenden Umstand gegeben hat: einige entschlossene Menschen, die bereit sind, den Egoismus ihrer eigenen Gruppe zu überwinden, um sich für die Belange anderer einzusetzen."

Cavalieri, P., Singer, P. et al.: The Great Ape Project - Equality beyond Humanity. London 1993 (deutsch: Menschenrechte für die Großen Menschenaffen. München 1994)

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