Dienstag, 7. Februar 2012

Tribut to Charles Dickens (2)

Nach der kurzen Beschreibung seines Lebens durch die Biografin Claire Tomalin, als nächstes Auszüge aus einem weiteren Interview der Frau, welche umfangreich Leben und Wirken des großen Aurots erforscht... hier jedoch geht es uns nun nicht mehr um seine Werke, es geht um Dickens Standpunkt zu der Welt in der er lebte.

die Biografin Claire Tomalin ist Jahrgang 1933 und schrieb neben Dickens Biografien über Katherine Mansfield, Mary Wollstonecraft und Jane Austen. Sie ist Vizepräsidentin des britischen PEN-Clubs und lebt in London.

 
Ein Interview, in Auszügen aus der ZEIT


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ZEIT ONLINE: Frau Tomalin, über Charles Dickens sind schon einige Biografien geschrieben worden. Warum brauchen wir eine neue?
Claire Tomalin: Ich habe bereits vor zwanzig Jahren ein Buch über ihn geschrieben, und es gab für mich noch Einiges zu sagen, was bisher niemand gesagt hat. Eine Figur, die mich damals faszinierte, war Dickens Freund John Forster. Er war die einzige Person, der Dickens immer vertraut hat. Dickens hat ihm einmal in einem Brief geschrieben: Unsere Freundschaft wird so lange währen, bis uns der Tod uns scheidet.

ZEIT ONLINE: Wie haben Sie recherchiert?
Tomalin: Ich habe mich auf Dickens Briefe konzentriert. Sie geben ein wunderbares Bild von England wieder, auch von Frankreich und Paris in den Jahren von 1830 bis 1870. Auch in Amerika, Italien und der Schweiz schrieb er Briefe, vor allem an Forster.

ZEIT ONLINE: Was haben Sie darin gefunden?
Tomalin: Viele wissen nicht, was für ein Republikaner Dickens war. Wie sehr er Frankreich geliebt hat. Er wird immer als durch und durch englisch gesehen. Tatsächlich erzählte er seinem Sohn Henry, er hätte Franzose sein sollen. Er bewunderte die Franzosen; er fand sie weniger heuchlerisch als die Briten. Ihm gefiel es, dass sie Republikaner waren. Er mochte das Essen und den Wein dort und die Art, wie die Franzosen ihr Leben genossen.

ZEIT ONLINE: Dickens war im Herzen Kontinentaleuropäer?
Tomalin: Ja! Ich bin mir sicher, dass er ebenso viel durch Deutschland gereist wäre, wenn er länger gelebt hätte. Und natürlich lernte er Französisch, so lange, bis er in Frankreich ins Theater gehen und sich unterhalten konnte.

ZEIT ONLINE: Warum tauchen seine Auslandsreisen kaum in seinen Romanen auf?
Tomalin: London war sein Thema. Aber in Wirklichkeit hasste er die Stadt. Er fand sie schmutzig und düster, und selbst wenn er in den schönsten Häusern lebte, konnte er es kaum erwarten, London zu verlassen. Er ging spazieren und reiten, machte Ausflüge nach Richmond und Greenwich: alles nur, um der Stadt zu entkommen. Er war sehr, sehr ruhelos.

ZEIT ONLINE: Warum haben wir so ein eindimensionales Bild von ihm?
Tomalin: Seine Tochter Katey sagte einst, sie wünschte sich, dass man sich ihren Vater nicht als drolligen Gentleman vorstellen würde, mit einem Weihnachtspudding in der einen Hand und einem Glas Grog in der anderen. Tatsächlich schrieb er seine Weihnachtsgeschichte während einer Weltwirtschaftskrise, als die Menschen gehungert und gefroren haben. Er wollte die Art, wie die Menschen dachten, ändern, war aber kein Politiker, sondern ein poetischer Mensch.


ZEIT ONLINE: In seinen Geschichten spielen Finanzen immer eine Rolle. Wie wichtig war Geld für ihn?
Tomalin: Sehr wichtig. Bis in Ende vierzig war Dickens finanziell nicht abgesichert. Dennoch war er immer sehr großzügig: Wenn ein Freund starb, brachte er Geld für Witwe und Kinder Geld auf und behielt sie auch Jahre danach noch im Auge. Als er im späteren Leben finanziell sicherer war, waren viele auf ihn angewiesen: Die Witwe seines Bruders, die Familie seiner Geliebten, seine Frau und Kinder und seine Schwägerin, die seinen Haushalt führte. Er musste weiter Geld verdienen. Er empfand das als große Last.

ZEIT ONLINE: Was macht für Sie seine Genialität aus?
Tomalin: Er wollte die Menschen zum Lachen bringen und konnte das sehr gut. Er wollte sie aber auch zum Weinen bringen. Der Tod von Little Nell in Der Raritätenladen etwa wird nicht selten verspottet: Damals aber hatten alle Familien wenigstens ein Kind, das gestorben war. Dickens wollte über den Tod auf eine Weise schreiben, die seine Leser trösten würde. Heute sind wir es nicht mehr gewöhnt, Kinder sterben zu sehen.

ZEIT ONLINE: Bei aller Ehrlichkeit in seinen Werken über den Zustand der britischen Gesellschaft: Sexuelle Offenheit gibt es bei ihm nicht.
Tomalin: Ich glaube, es gab da für Autoren damals eine automatische Barriere. Auch Thackeray beschwerte sich darüber, dass man beim Schreiben nicht offener sein konnte, empfand es aber ebenso als unmöglich, in sexuellen Dingen ehrlicher zu sein.

ZEIT ONLINE: Sind Dickens' weibliche Figuren deshalb oft so puppenhaft?
Tomalin: Vermutlich hatte er im echten Leben Schwierigkeiten mit Frauen. Er lebte in einer reinen Männergesellschaft.

ZEIT ONLINE: Er konnte doch anscheinend mit anziehenden, jungen Frauen: seine Geliebte Nelly.
Tomalin: Sie war jung und hübsch - und genau die Richtige für ihn. Es passte alles: Sie hatte seit ihrem zweiten Lebensjahr im Theater gearbeitet, ihre Familie war im Theatergeschäft; sie lebte in einer Welt voller Kunst und Musik, alles Dinge, die Dickens verehrte. Ihr Vater war tot; sie hatte kämpfen müssen im Leben und war sehr intelligent.

ZEIT ONLINE: Sogar angesehene Historiker wie Peter Ackroyd wollten von ihr nichts wissen.
Tomalin: Sogar Dickens Kinder, Henry und Katey, haben gesagt, dass er eine Affäre hatte und dass es ein Kind gegeben hat, das gestorben sei. Selbst wenn man die Affäre nicht wahrhaben möchte: Dickens Verhalten gegenüber seiner Frau ist dokumentiert.

ZEIT ONLINE: Eines Tages ließ er unangekündigt das gemeinsame Schlafzimmer in zwei Teile teilen. Er demütigte seine Frau in der Öffentlichkeit. Seine Tochter Katey meinte, er wäre im späteren Leben ein wenig verrückt geworden...

das volle Interview lesen sie auf  ZEIT-ONLINE

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