Dienstag, 7. Februar 2012

Charles Dickens - ein Tribut für den Kritiker

Heute vor 200 Jahren (Googlenutzer werden es schon gehört haben) wurde Charles Dickens geboren. Sein Leben wurde geprägt durch Kontakt zu Armenhäusern und Schuldgefängnissen, in welchen zB sein Vater einsaß als Charles gerade mal 11 Jahre alt war. Fortan versuchte er für Mutter und Geschwister (7Stück, davon 6 jünger als er selbst) Geld zu verdienen.
Kinderarbeit in Lagerhallen und damit verbundener Schulabbruch prägten darauf ein Jahr seines Lebens im London des 19. Jahrhunderts. Nur dadurch dass sein Vater 1824 frei kam und Charles die Schule weiterführen konnte, war es möglich dass aus dem jungen Mann ein Schreiber wurde, welcher die Verhältnisse der Unterschichten Englands am eignen Leib gespürt hatte.

Seine Romane sind voll von Gesellschaftskritik und dem ungeschönten Blick auf ein Leben am Rande des Elends. Dafür gebührt ihm heut unser Tribut.


Die wichtigsten Werke des Autors sind zweifellos Oliver Twist, David Copperfield und der weihnachtliche Klassiker "A Christmas Carol". Weiterhin erzählt Dickens die "Geschichte aus zwei Städten" und berichtet von "großen Erwartungen"
Neu an seiner Art der Publikation (ein Geheimnis seines Erfolgs?) war die Veröffentlichung seiner Geschichten in einzelnen Kapiteln. Diese für einen Schilling zu erwerbenden Lesehefte wurden zu einer Art "Folgeroman" und waren auch für die ärmeren Schichten erschwinglich genug.

Im folgenden möchte ich Auszüge aus diversen Beiträgen zusammentragen, welche heut zu seinem Ehrentag erstellt wurden. Den Beginn macht ein Interview mit der Dickensbiografin Claire Tomalin - veröffentlicht auf Welt Online.






Welt Online: In England kommt Charles Dickens gleich nach Shakespeare. Wie viel von seinem Ruhm verdankt sich der Tatsache, dass er der König des Romans war, als der Roman König war?
Claire Tomalin: Dickens hat dem Roman ja erst auf den Thron geholfen. Dass er seine Romane in monatlichen Folgen veröffentlichte, war neu. Alle Welt wartete plötzlich auf die Fortsetzung. Und weil die einzelnen Lieferungen billig waren, erreichte sie alle Gesellschaftsschichten, auch die untere Mittelklasse. Dickens hat den Vertrieb von Literatur in England revolutioniert. Und abgesehen davon, war er natürlich ein großartiger Schriftsteller. Der größte des 19. Jahrhunderts, hat Tolstoi gesagt. 

Welt Online: Dickens kam aus keiner gebildeten Familie und hat doch schon mit elf Jahren seine ersten Charakterskizzen geschrieben. Haben Sie sich je gefragt, woher sein Talent kam?
Tomalin: Die Familie seiner Mutter war nicht ungebildet. Und sein Vater John war zwar nur der Sohn eines Butlers, das allerdings in einem großen Haus. Der Dramatiker Richard Sheridan ging dort ein und aus – er hatte ein Verhältnis mit der Dame des Hauses. John Dickens hielt sich selbst für einen Gentleman.

Welt Online: Heute ist John Dickens berühmt dafür, ständig bis über beide Ohren verschuldet gewesen zu sein. Er kam ins Schuldgefängnis und musste seinen Sohn Charles zum Geldverdienen in eine Schuhwichsfabrik schicken. Eine traumatische Erfahrung, sagen die Interpreten. Sie hingegen schildern, wie Dickens schon ein Jahr später wieder zur Schule ging und mit seinen Klassenkameraden fröhlich „Betteljunge“ spielte. Ein kleiner Hinweis darauf, dass die Fabrik-Episode womöglich überschätzt wird?
Tomalin: Nein, sie hat tatsächlich traumatisch gewirkt. Das Komische ist, dass weder Charles’ Mutter noch sein Vater je wieder darüber gesprochen haben. Aber Dickens ist in der Fabrik ganz gut zurecht gekommen. Er hat zum ersten Mal sein Leben selbst in die Hand genommen, auch wenn er sich gedemütigt fühlte. Ihm war bewusst, dass er Talent hatte. Er wollte hoch hinaus und fühlte sich in der Fabrik um seine Chancen betrogen. 

Welt Online: In Ihrer Biografie beschreiben Sie einen Mann, der nie zur Ruhe kam. Dickens schrieb nicht selten zwei Romane gleichzeitig, zog ständig um und nachts lief er durch Londons Straßen. Wovor ist er weggelaufen?
Tomalin: Ich glaube nicht, dass er vor etwas davon gelaufen ist. Er hatte einfach eine enorme Energie. Er hat im Gehen gedacht. Er ging wie um einen Motor anzuwerfen. 

Welt Online: Warum fallen einem zu Dickens immer zuerst „Oliver Twist“ und „David Copperfield“ ein? „Oliver Twist“ ist ganz bestimmt nicht sein bestes Buch.
Tomalin: Nein, ist es nicht. Aber es ist sehr spannend. Die Bösen geben den Ton an, und Dickens war immer besser, wenn er Schurken schilderte. Und die ersten 14 Kapitel von „David Copperfield“ sind genial. Nach Charlotte Brontës „Jane Eyre“ war es der erste Roman, in dem ein Kind erzählte und dabei ernst genommen wurde. Das war eine Pioniertat. 

Welt Online: Dickens war fabelhaft, wenn er Kinder beschrieb. Bei Frauen war er nicht so gut.
Tomalin: Da hat er ein Problem. Auf groteske Frauengestalten versteht er sich, mit den jungen hat er Schwierigkeiten. Sie geraten ihm oft zu nervösen, atemlosen Dingern, zu Opfern eigentlich. Wenn ich Ihnen sagen könnte, woher dieses Problem rührt, wäre ich Spezialistin in postumer Psychoanalyse. 

Welt Online: Heute gelten „Bleakhaus“ und „Große Erwartungen“ als seine besten Bücher. Seine Zeitgenossen haben das anders gesehen. „Bleakhaus“ wurde ziemlich verrissen.
Tomalin: „Große Erwartungen“ hat man durchaus als das Meisterwerk erkannt, das es war. Bei „Bleakhaus“ war es anders, weil das kritische Publikum, die Mittelklasse, den Dickens liebte, der sie zum Lachen brachte. Und in „Bleakhaus“, „Klein-Dorrit“ und „Unser gemeinsamer Freund“ wurden die Institutionen der Mittelklasse angegriffen: die Gerichte, die Beamten, korrupte Parlamentarier.



(...) das volle Interview findet ihr auf Welt Online  - wo auch sonst?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen